Ausflug in die Lausitz
von Fritz Kampers
Als man mir in der Garderoben-Abteilung der Ufa in Neu-Babelsberg eine Schrittmacherausrüstung für die Rolle, die ich in dem Ufa-Tonfilm der Zeisler-Produktion „Strich durch die Rechnung“ zu spielen hatte, verpaßte, war mir doch einigermaßen schwummrig zu Mute. Lederanzug, Sturzkappe, dicke Lederhandschuhe, ein äußerst solides und geräumiges wollenes Tuch – „für um den Hals zu wickeln“ meinte der Herr Garderobier – na, ich muß schon sagen, ich kam mir vor, als sollte ich für eine Nordpolreise equipiert werden.
Für so weit lautete nun der Marschbefehl nicht, den wir von der Ufa erhielten. Mit „wir“ meine ich die Darsteller und den Aufnahmestab des Films „Strich durch die Rechnung“ unter dem Kommando des Produktionsleiters und Regisseurs Alfred Zeisler.
„Forst in der Lausitz“ hieß die Parole. Dort sollten wir auf der schönen Forster Radrennbahn die Szenen drehen, die von dem Manuskript, das Ph. L. Mayring und Dr. Fr. Zeckendorf nach dem Theaterstück von Fred Angermayer geschrieben haben, verlangt wurden.
Also auf nach Forst. Um es gleich zu sagen, ein ideales Aufnahmeterrain. Ich hatte mich schon etwas früher in Forst eingefunden, ich wollte ein wenig das Gelände sondieren, auf dem sich meine Schrittmacher-Heldentaten abspielen sollten. Mir war nämlich die ehrenvolle Aufgabe zugefallen, der Schrittmacher des Rennfahrers Heinz Rühmann zu sein, der der Held des Films „Strich durch die Rechnung“ ist.
Ich hatte nicht lange Zeit, das Feld, auf dem wir das scharfe Rennen bestreiten sollten, in ruhiger Beschaulichkeit zu studieren. Denn schon rückten die Ufa-Kolonnen an. Riesige Scheinwerfer wurden abgeladen, denn ob die Sonne immer zuverlässig sein würde, wußte man noch nicht, und sicher ist sicher, Widerstände wurden angeschlossen, Tonwagen fuhren auf, dann wurden Kabel ausgelegt, als ob ein Kabelwerk seine ganze Produktion vorführen wolle. Wie die Herren Elektriker mit dieser Unmenge von Kabeln zurechtkamen, das ist mir heute noch ein Rätsel. Tiefen Respekt vor diesen Elektrogeistern, die das alles so richtig zusammengefügt haben, denn nicht wahr, ein Kabel, das nicht zu dem respektiven Anschluß paßt, kann allerhand Verwirrung stiften.
Aber der technische Stab wußte offenbar gut Bescheid, und die ganze Sache war richtig organisiert, denn die Befürchtungen, die sich ein Laienhirn in technischen Dingen ausmalt, zerrannen vor den klaren, durchdachten Dispositionen in nichts.
Kamera um Kamera wurde aufgebaut. Um ein Radrennen in seinen verschiedenen Phasen richtig und deutlich zu schildern, war das Kameraaufgebot nicht gering, ebenso das an Mikrophonen. Kapellmeister Borgmann und Tonmeister Kagelmann beraten eifrig über die richtigen Aufstellungen. Alfred Zeisler ist überall. Es liegt ihm am Herzen, daß alles klappt, wenn es „so weit“ ist.
Jetzt trudeln auch die Herren Darsteller ein. Heinz Rühmann im Rennfahrerdreß schnuppert flott und unternehmend in die Lausitzer Luft. Hermann Speelmans, der Rennrivale von Rühmann, beguckt sich kritisch die Maschine, der er sich anvertrauen soll. Die Radrennfachleute, die Zeisler vorsorglich mitgebracht hat, besehen sich die Filmradrennleute mit etwas spöttischen Blicken. Sie geben genaue Anweisung, wie man sich bei Radrennen verhält. Man paßt auf wie ein Schießhund, denn es gibt auf diesem Gebiet ein eminent sachverständiges Publikum.
Toni van Eyck taucht auf. Sie ist an dem Ausgang des Rennens außerordentlich interessiert, ist sie doch in diesem Film Rühmanns Braut. Nicht minder interessiert ist Flokina von Platen als Tochter des Fahrradfabrikanten, dem es darauf ankommt, daß seine Marke siegt.
Die Generalidee ist die, daß Heinz Rühmann beim Rennen pullt, d. h. daß er nicht voll ausfährt, sondern zurückhält, damit Speelmans das Rennen machen kann. Weil aber ein anderer Fahrer, ein Exote, losgeht wie die Feuerwehr, weil er alle Abmachungen vergißt, als der Gesandte seines Landes beim Rennen erscheint, läßt Rühmann die Post abgehen und zeigt den Herrschaften, was eine Harke ist.
So weit wäre das alles ganz schön. Es sieht aus, als ob sich alles glatt nach Zeislers Uhrwerk-Programm abwickeln wolle. Aber, es beginnt zu tröpfeln, zu nieseln, und schließlich gibt es einen ganz soliden Dauerregen. Die stetige Schönwetterperiode hatte nämlich noch nicht eingesetzt.
Es hilft nichts, wir müssen abbrechen. Die Bewohner von Forst, die sich in hellen Haufen zu den Aufnahmen eingefunden hatten, rückten ab. Wir auch. Wallburg blubberte einige nicht ganz parlamentarische Redensarten.
So ging es noch einige Tage lang. Und als dann gerade die Sonne so schön schien, kippte Rühmann, der auf seiner Karre losging wie der Teufel, aus den Pantinen. Nun war wieder unfreiwillige Pause.
Wir — die wir nicht Zeislers Sorgen hatten — zogen los, um die schöne Umgebung der Stadt Forst auf Badegelegenheit zu untersuchen. Unsere Entdeckungsfahrten wurden reichlich belohnt. Herrliche Seen, prächtige Gegend, die Leute zu uns Ufa-Filmern reizend und nett, also, wir hätten es schon noch eine Weile ausgehalten.
Übrigens: Bei den Badeausflügen erwies sich unser rundlicher Otto Wallburg als ausgezeichneter Schwimmer. Nicht gerade so schnell wie die Japaner in Los Angeles, aber zuverlässig und ausdauernd. Wir veranstalteten Tauchmeisterschaften. Wer am längsten unter Wasser bleiben konnte, sollte gewonnen haben. Ohne mich zu rühmen, aber da war ich in Front, da konnte Otto nicht mit. Als er allerdings entdeckte, daß ich wartete, bis die anderen getaucht waren und auftauchen mußten, als sie keine Luft mehr hatten, um schnell meinerseits unter Wasser zu gehen, da gebrauchte Wallburg häßliche Ausdrücke wie „Mogelei, Schiebung usw.“. Otto muß eben immer etwas zu nörgeln haben.
Rühmann war inzwischen wieder in Form; die Sonne schien, ja sie schien ziemlich unbarmherzig, und wir mußten wieder feste dran.
In den Pausen kühlten wir uns in den herabstürzenden Fluten des benachbarten Mühlenwehrs ab.
Alles Lob für die Einwohner von Forst. Sie waren filmbegeistert bis zum Tezett.
Wenn wir im Film unsere Rennszenen sehen, werden wir uns gern der schönen Tage in Forst in der Lausitz erinnern und der immer willigen Hilfsbereitschaft seiner Einwohner.
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