„Lichtbildbühne“ vom 24. Oktober 1932

Pünktchen macht einen „Strich durch die Rechnung“

Von Dr. Paul G.

Das geschah an einem glühendheißen Sonntag dieses Jahres, als „Pünktchen“ einen „Strich durch die Rechnung“ machte, und zwar durch die des zünftigen Medizinmannes, des Arztes. Aber was bedeutet „Pünktchen“ und was „Strich durch die Rechnung“?

„Strich durch die Rechnung“ ist ein neuer Tonfilm der Ufa aus dem Milieu des Radrennsports, der unter Produktionsleitung und Regie von Alfred Zeisler, dem bewährten Regisseur deutscher Kriminal- und volksstückmäßiger Tonfilme, dessen letzte Schöpfung „Schuß im Morgengrauen“ noch unvergessen ist, jüngst vollendet wurde und am 25. Oktober im Ufa-Palast am Zoo zur Uraufführung gelangen wird. Tony van Eyck, Heinz Rühmann, Fritz Kampers, Otto Wallburg spielen die Hauptrollen. Doch vergessen darf nicht werden: „Pünktchen“.

Wer ist Pünktchen?

Pünktchen ist ein beweglicher, quicklebendiger, rundlicher, kleiner Mann mit einem gutmütigen Gesicht, aus dem zwei munteren Augen in die Welt und ihre Narrheit blicken. Pünktchen ist ein altes Faktotum des Radrennsports. Unter diesem Spitznamen kennt ihn in ganz Deutschland über seine Grenzen hinaus jeder, der an der Welt der Zementbahnen und überhöhten Kurven irgendwie interessiert ist. Heinrich Przygodda, so ist Pünktchens bürgerlicher Name, gehört gewissermaßen zur alten Garde der Ritter von den Radrennbahnen. In den Jahren 1912 bis 1914 und 1916 fuhr er selber oft erfolgreich in großen Radrennen als Dauerfahrer hinter den „Rollern“, wie die Motorschrittmacher genannt werden, während er 1919, 1920 und 1921 als „Flieger“, d.h. über kurze Distanzen nicht selten siegreich blieb. Aus dieser Zeit stammt auch sein Spitzname „Pünktchen“. Wenn er, der kleinste und zierlichste der Fahrer, nach dem Startschuß zunächst am Schluß des Feldes hing, lachten die Zuschauer über den kleinen Mann und schrien ihm nach: „Mensch, du siehst ja wie’n Punkt, wie’n Pünktchen aus.“ Mit dem Aufkommen und der zunehmenden Volkstümlichkeit der Sechstagerennen zog sich „Pünktchen“ von aktiver Teilnahme an Radsportveranstaltungen zurück und übernahm die Pflege startender Sechstagemannschaften. In dieser Eigenschaft hat er Hervorragendes geleistet und nicht wenigen Sechstagerennpaaren die Wege zum Siege geebnet und offengehalten. Vom Pfleger, der für das leibliche und seelische Wohl und Wehe seiner Mannschaft verantwortlich ist, hängt außerordentlich viel ab, ja, nicht selten gibt sein Wirken den Ausschlag.

Wie zutreffend das sein kann, hat sich auch während der Aufnahmen zu dem neuen Ufa-Tonfilm „Strich durch die Rechnung“ gezeigt. Im Mittelpunkt dieses neuen Filmwerkes steht ein Radrennen hinter Schrittmachern, das von Heinz Rühmann und Fritz Kampers unter Teilnahme zahlreicher deutscher Rennfahrer von Ruf —unter ihnen befand sich u. a. Pawlak — auf der Radrennbahn in Forst in der Lausitz ausgefahren wurde. Von diesem sportlichen Ereignis, für das er als Pfleger verpflichtet war, spricht „Pünktchen“, der alte Radrennpraktikus und Kämpe mit ehrlicher Begeisterung: „Wissen Sie“, sagte er, „ich war wirklich überrascht. Das war gar keine Schauspielerei. Das war kein gestelltes Rennen. Das war ein wirkliches! Donnerwetter, sind die losgegangen, der Herr Rühmann und der Herr Kampers! Mit einem Schneid haben sie sich an die „Roller“ gehängt! Allerhand Hochachtung! Ich wünschte nur die Hälfte dieser Schneidigkeit manchem Berufsrennfahrer. Dann sähe es im deutschen Radrennsport glänzend aus. Na, und dabei ist das Malheur passiert. Erst fliegt der Herr Rühmann auf die . . . Visage und reißt sich die Haut fast bis auf die Knochen von den Schultern und wenig später brummt Herr Kampers beinah auf seinen „Roller“ auf. Aber wie Herr Kampers im letzten Augenblick der Gefahr begegnet ist, wie er aus dem Sattel sprang und auf den Knien die Kurve herunterrutschte. Das war ganz großartig. Besser und richtiger hätte kein Berufsfahrer handeln können. Natürlich waren die Kniescheiben von Herrn Kampers abgeledert und es gab tüchtig zu flicken. Bei beiden Herren sah es sehr bös aus. Die Haut hing in Fetzen herunter. Blut floß in Strömen. Als der Arzt Herrn Rühmann verbunden hatte, machte er ein bedenkliches Gesicht: „In vier Wochen ist alles wieder heil!“, versicherte er treuherzig. Natürlich war die Bestürzung bei Herrn Rühmann bei der Produktions- und Aufnahmeleitung ungeheuer. Diese Unterbrechung wäre für alles und alle, für den ganzen Film, ein nicht wieder gutzumachender Schaden gewesen. Da bin ich zu Herrn Zeisler gegangen, habe ihm gesagt: „Sowas flick‘ ich in drei Tagen!“ Man hat mir vertraut. Und ich hab‘ Wort gehalten. In drei Tagen war Herr Rühmann wieder ganz und die Aufnahmen konnten weitergehen. Wie ich das gemacht habe? Der Arzt hat Bauklötzer gestaunt, das kann ich versichern. Aber gefreut hat er sich doch und mir begeistert die Hand geschüttelt, und Herr Rühmann? Das ist mein Freund geworden. Hier lesen Sie, was er und seine Frau von ihrem Urlaubsausflug mir schreiben: „Mein liebes Pünktchen! Du alter Schlawiner! Ich habe Sehnsucht nach Dir, wie Du sie auch nach mir haben wirst. Die Motte“ (das Flugzeug Rühmanns, Anm. d. Red.) hat sich sehr gut bewährt. Ich treffe am 19. d. M. wieder ein und dann melde ich mich bei Dir. Grüße Dein Weib. Dein Heinz.“

— — Das ist Pünktchen! Das ist Heinz Rühmann und das ist “Strich durch die Rechnung“, der am 25. Oktober im Ufa-Palast am Zoo uraufgeführt wird.