„Escher Tageblatt“ vom 04. November 1932

Doppelstrich“ durch die Rechnung

Nicht immer verläuft das Geschehen bei der Tonfilmarbeit genau in den vom Manuskript vorgeschriebenen Bahnen. So passierte es bei dem großen Radrennfilm der Ufa “Strich durch die Rechnung“, daß Heinz Rühmann und Hermann Speelmans richtig trainieren mußten. Unter Aufsicht des bekannten Helfers “Pünkchen“ lernten sie alle Feinheiten ihres neuen Filmberufes als Radrennfahrer kennen. Was auch los war, “Pünktchen“ renkte es ein. Seinen Zivilnamen haben nur die wenigsten der Filmmitarbeiter erfahren. Nur die Geschichte, wie “Pünktchen“ seinen Namen fand, machte überall die Runde. Er war in seinen jungen Jahren auch einmal Straßenrennfahrer. Wenn die Rennen zu Ende waren, und der Sieger bereits nach Hause fahren wollte, nahte ganz hinten in weiter, weiter Ferne ein “Pünktchen“, das auf das Ziel losraste. Das war “Pünktchen, der prominenteste Letzte seiner aktiven Zeit.

Die großen Sportaufnahmen wurden auf der Radrennbahn in Forst in der Lausitz gedreht. Das Training und die Aufnahmen, alles ging gut, bis auf einen “Fall“. Rühmann raste im 60-Kilometer-Tempo in die Kurve und stürzte beim Training. Innerhalb weniger Minuten hatte “Pünktchen“ Rühmann so verpflastert, daß Alfred Zeisler, der Regisseur, als er seinen Hauptdarsteller zur Aufnahme holen wollte, entsetzt ausrief: “Aber, lieber Rühmann, was machen Sie mir für Sachen, der Film heißt doch “Strich durch die Rechnung“ und nicht “mit dem Kopf durch die Wand“.

Neben Heinz Rühmann und Tony van Eyck spielt auch Otto Wallburg mit. Er ist Manager von Hermann Speelmans. Otto Wallburg hatte bei diesem Film wohl seine sorgenvollsten Tage.

Irgendein Mitglied des Filmstabes hatte das Gerücht verbreitet, daß laut Manuskript der gute Otto Wallburg in einer Szene auch einmal auf dem Fahrrad die Rennbahn „umsausen“ müsse. So lernte Otto, der Gewissenhafte, der noch nie im Leben ein Fahrrad bestiegen hatte, unter Assistenz von „Pünktchen“ jeden Abend Radfahren. Er glaubte, da alle Mitarbeiter und Schauspieler des Films die Idee aufgegriffen hatten, es sei bitterer Ernst mit dem Fahren. Es kam ihm besonders möglich vor, wenn er daran dachte, daß man ihn doch auch im „Hochtouristen“ in die Gletscherwelt der Alpen gejagt hatte. Otto trainierte also tapfer drauflos. Nach 8 Tagen stand er freudestrahlend vor seinem Regisseur: “Lieber Zeisler, jetzt kann ich schon famos fahren, es macht mir Spaß, ich freue mich auf die Szene. Meine Zweite Freude ist, „Pünktchen“ meint, daß es gar nicht komisch aussieht.“

Alle hatten schon nach den ersten vier Tagen den Scherz bereut, doch nun war es zu spät. Zeisler brachte es damals auch nicht übers Herz, zu sagen, daß diese Szene gar nicht existiere. Bedauernd klopfte er seinen Schauspieler nur auf die Schulter: „Lieber Wallburg, die Szene ist nun leider gestrichen worden.“ Wallburg sagte darauf nichts. Er sah Zeisler nur durchdringend an. Als ihm viele Tage später einer bei den Aufnahmen im Atelier erzählte, daß das Ganze doch nur ein Scherz war, meinte Wallburg trocken: „Na glaubt Ihr denn, ich habe Euretwegen Radfahren gelernt??? Ganz im Gegenteil! Erstens hat es mir Spaß gemacht und zweitens: bitte meine Figur, nun noch leicht vollschlank! Das Fahren ist ihr glänzend bekommen!“