„Vossische Zeitung“ vom 26. Oktober 1932

Strich durch die Rechnung

Ufa-Palast am Zoo

Dieser Film des Regisseurs Alfred Zeisler besitzt zwei Eigenschaften, die man in so glücklicher Vereinigung in deutschen Filmen selten, leider allzu selten, findet – er hat zugleich Atmosphäre und Tempo. Atmosphäre: das Milieu, ob sich´s nun um eine Rennfahrerkneipe, ein Warenhaus, eine Laubenkolonie oder den Betrieb auf der Radrennbahn selbst handelt, ist lebenswahr, die Schauspieler, über die noch ein Wort zu sagen bleibt, sind „echte“ Typen, und das entscheidende Charakteristikum: (hier fehlt´s sonst fast immer) die Handlung ist so gestaltet, daß sie in diesem Milieu glaubhaft wirkt. Für die Frage aber, ob das Tempo eines Bildstreifens den dynamischen Gesetzen des Films entspricht, gibt es gleichfalls ein untrügliches Kriterium: wenn eine Szene nur so weit ausgespielt wird, daß im Zuschauer der Wunsch lebendig bleibt, sie nochmals, sie länger zu sehen. Dafür nur ein Beispiel: Der dicke Sohn des Rennschiebers, der die Jagd der Fahrt blasiert, seine Stulle kauend, verfolgt – er kennt ja den „Ausgang“ – und dem plötzlich der Bissen im Halse stecken bleibt, als alles so ganz anders kommt. Das ist im Fluge erhascht und darum bleibt es haften.
Man soll mit Superlativen vorsichtig sein, aber diesen „Strich durch die Rechnung“ kann man ohne Anstand als den gelungensten und amüsantesten deutschen Unterhaltungsfilm der Saison bezeichnen.

Dieser Erfolg ist neben der hervorragenden Regie Zeislers den Darstellern und hier wieder in erster Linie Heinz Rühmann zu danken, der sich durch seine Leistung in die erste Reihe internationaler Prominenz hinauf gespielt hat. Dieser Berliner Junge war einfach „knorke“, ohne Pose, unsentimental, Schnauze auf dem rechten Fleck, Herz dito. Aber auch sonst gab es keine einzige Niete. Und man ist in Verlegenheit, ob man Wallburg als Schieber Paradies, Toni van Eyck, Speelmans, Kampers oder Jakob Tietdke zuerst nennen soll. Ja selbst die kleinsten Chargen – so die alten Kleinbürger am Radio – waren ausgezeichnet besetzt und leisteten in der Hand des Regisseurs Vorbildliches.
Gewiß, man kann Kunst nicht auf Bestellung fabrizieren, aber solche Unterhaltungsfilme, die so sauber, so anständig und zugleich so amüsant gearbeitet sind, könnte und müßte die deutsche Produktion öfters herausbringen.

wyr.

Übrigens fiel die „Stullen-Szene“ auch einem anderen Kritiker auf oder er hat sich vielleicht durch die Vossische Zeitung „inspirieren“ lassen.
http://strich-durch-die-rechnung.de/film-info/pressespiegel/metallarbeiter-jugend-vom-19-11-1932/