Was singt man in der Saison
Von Hans H. Reinsch-Berlin.
Schlager, die noch in den Windeln stecken… — ob sie lebensfähig sein werden, weiß noch niemand!
Unser Mitarbeiter gibt im folgenden einen Blick hinter die Kulissen der Schlagerkomponisten und Textdichter frei, den sicher alle Leser gern mittun werden. Merken wir die Zeilen, die Musik gibt es dazu erst später.
Jede Saison hat ihre Schlager! Das ist seit Jahren ein feststehendes Gesetz. Ärgern wir uns nicht darüber; die Textdichter und Komponisten sind auch nur Menschen und wollen etwas verdienen – und wir wollen etwas Neues zu singen — und zu lachen haben. Frohsinn brauchen wir alle so nötig, zumal wenn er nichts kostet. Und neue Schlager sind für uns, das Publikum, billig — bezahlen muß der, der sie spielt.
Das könnte zwar auch der Text eines Schlagers sein, doch darin liegt zuviel Wahrheit. Schlagerdichter träumen gern, denn sie wissen von der Wirklichkeit genau: „Das gibt’s nur einmal, das kommt nicht wieder!“
Wir können ihn aber singen, noch und noch, denn dazu arbeitet es sich schön im Takt — an der Schreibmaschine, am Amboß; es fällt leichter, nach dieser Melodie morgens dem Geschäft zuzustreben oder die Zeitungen und Briefe auszutragen. Rhythmus ist alles, Rhythmus, Bewegung ist Leben — Schlager sind Rhythmus, sind Leben. Böse Menschen singen keine — Schlager!
Doch der Schlagergegner, wenn er noch nicht ganz erschlagen ist, kommt diesmal besser auf seine Kosten. Die neuen Schlager sind zeitgemäßer; ernster. Die Liebe spielt trotzdem die Hauptrolle. Sie sind abgestimmt auf den neuen Schlager:
„Vielleicht gewöhnt man mit der Zeit sich an die Zeit —
Vielleicht versöhnt man mit der Zeit sich mit der Zeit?“,
was Jan Kiepura mit Spolianskyschen Melodien uns fragen soll. Doch darüber soll man nicht Sonntags grübeln, meint Walter Jurmann, und so bringt er uns das auch nahe:
„Einen Sonntag ohne Sorgen,
Einen Sonntag nur zu zwei’n,
Und nicht fragen: Wie wird morgen
Bloß der graue Montag sein!“
In dem Film „Der blonde Traum“ mit Willy Fritsch, Willi Forst und Lilian Harvey träumt letztere noch:
„Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück,
Und ich träume davon — in jedem Augenblick…“
aber sie fand es indessen in einem Engagement auf drei Jahre nach Hollywood. Das wußten die beiden Willis schon vorher:
„Einmal schafft’s jeder
Jeder kommt dran,
Wenn er wirklich was kann!“
Martha Eggerth aber antwortet auf diese Frage der Harvey in puncto Liebe (Film „An allem ist die Liebe schuld!“)
„Einmal kommt einer, und der wird es sein,
Der wird nicht lange mich fragen!
Einmal kommt einer — ja, der oder keiner…“
Doch was wird er tun? Toni van Eyk sagt es dem Film „Strich durch die Rechnung“:
„Meine ganze Liebe schenk‘ ich dir,
Das ist alles, was ich hab‘.
Ich verlang‘ von dir keinen Dank dafür.
Denn du weißt ja, wie gern ich dich hab‘!“
Jeder glaubt das heute gern, und Heinz Rühmann in dem Film schließlich auch:
„Immer so weiter — immer so weiter —
Immer im Schwung,
Das macht das Leben heiter!“
Auch der „notleidenden“ Hauswirte ist gedacht in „Der blonde Traum“:
„Wir zahlen keine Miete mehr —
Wir sind im Grünen zu Haus!
Wenn unser Nest noch kleiner wär‘,
Das macht uns wirklich nichts aus!“
Das einmalige Finden der oder des Richtigen spukt anscheinend in den meisten Textdichterhirnen. Buder bringt einen sehr musikalischen Tango heraus, dessen Text lautet:
„Man kann sein Herz nur einmal verschenken
Und immer dran denken voll Seligkeit.
Man kann sein Herz nur einmal im Leben
In Liebe vergeben — für alle Zeit.“
Er bekennt auch offen:
„Ich suche Liebe — nicht nur Sympathie —
Die große Liebe! Doch ich fand sie nie!“
Keineswegs dachte Allan Gray an die polnischen Paßbestimmungen, als er dichtete:
„An der Riviera muß der Himmel blau sein,
Dort will mit dir ich, heißgeliebte Frau, sein.“
Auch Max Adalbert wird einem neuen Schlager zur Geburt verhelfen, der wie folgt beginnt: „Sieben Kinder brauchen wir zum Leben…“ Es sieht ihm ähnlich, aber keineswegs wird er damit erreichen, daß die Geburtenziffer wieder steigt. Mit dem Glück hält es auch Ralph Erwin in dem Film „Das schöne Abenteuer“, den die Ufa herausbringt:
„Ins blaue Leben .wandern wir, ein kleines Stück,
Ins blaue Leben, in ein unbekanntes Glück…“
Sollte der eine oder andere Schlager schon jetzt so gut gefallen, daß man um ihr „Geborenwerden“ bangt, dann sollte man immer schon mit Werner R. Heimann im Foxtrott-Tempo singen:
„Wenn du nicht kommst, dann haben
Die Rosen umsonst geblüht..“
Also üben wir uns immer schon die Texte fleißig ein, damit sie bereits „sitzen“, wenn die Musik dazu „geliefert“ wird — auch der Tag wird ja bald kommen und schließlich fast zu schnell ein anderer, an dem Text und Musik wieder vergessen sind. Nun, wir werden ja sehen…
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