„Forster Tageblatt“ – Montag, 15. August 1932

Trotz Sonnenbrand wird gefilmt.

Aufnahmen der großen Rennen. – Ueber 2000 Zuschauer. – Großer Durst und – die Musik spielt.

Strahlend blauer Himmel… allein die Aufnahmearbeit auf der Minerva-Bahn ist bestimmt kein reines Vergnügen. Das ist nicht nur die Ansicht der Ufa-Leute, sondern auch die der Zuschauer. Die Pressevertreter aus Berlin sind ausgeblieben. Grund: die gespannte politische Lage. Sie wirft ihre Schatten auch auf unsere Minerva-Bahn. Hier ist heute alles sonnenüberflutet, ein buntes, malerisches und höchst fideles Bild. Es erinnert irgendwie an ein Zigeunerlager. Regisseure, Kameramänner und wie sie alle heißen mögen, laufen in den phantastischsten und gewagtesten Kostümen herum. Bronzefarben ist die Hautfarbe und glänzt unter der „Nivea-Behandlung“, daß man tatsächlich heute ohne Blenden auskommt. Diese Metamorphose bleibt nicht ohne Eindruck auf die Verehrer und Verehrerinnen der einzelnen Filmgrößen und bringt eine kleine Enttäuschung. Das ist halt nun so!

Große Rennen werden gefahren. Unser heimischer Favorit Pawlack ist mit dabei und fährt ein glänzendes Rennen; er ist auch in famoser Form. Alfred Zeißler meint: „Der Mann hat noch eine Zukunft, der fährt blendend.“ Bravo, Pawlack! Nur weiter so… Und wenn es noch gelingen sollte, die Premiere des Films: „Strich durch die Rechnung“ nach Forst zu bringen, dann ist unsere Stadt in aller Munde. Otto Wallburg spaziert mit einer brennenden Zigarre – was ein Erkleckliches zu seinem Wohlbefinden beitragen dürfte – schmunzelnd im Innenraum auf und ab. Das Objektiv erfaßt auch die „Prominenten“ von Forst. Auf Wiedersehen, meine Herren, bei der Erstaufführung! Im Schweiße seines Angesichts rollt der Signalmann Kiel – er stammt aber trotzdem nicht von der Wasserkante – das Tonkabel zusammen, indessen das andere zur Zeit nicht beschäftigte technische Personal sich unter die Aufbauten verkrochen hat.

Ueber 2000 Zuschauer – davon 1200 für die Ufa „verpflichtet“ – umsäumen die Rennbahn. Grau hat seine liebe Not, die Massen von der Tribüne in die Kurven und umgekehrt zu dirigieren. Die Hitze geht in die Beine und wirkt lähmend auf jede Bewegung. Schon sauste der DKW-Wagen über die Bahn, und der Aufnahmeapparat kurbelt die Zuschauer an den Rampen und auf den Kurven. Aus dem Rhabarbergemurmel schält sich ein konstanter Sprechchor: „Wir haben Durst!“ Borgmann denkt, ob wir ihn vertonen? Doch Zeißler springt sofort ein: „Den Leuten kann geholfen werden!“ Gott sei Dank! Und schon schleppen Männer Wannen voll Himbeerlimonade zu den Dürstenden hinauf. Mit dem schwimmenden Eisklumpen darin, sieht das erfrischende Naß etwa aus, als wenn irgendwo Schweinschlachten gewesen wäre. Im Nu ist die Wanne leer. Die kleine Erfrischungspause wird allgemein mit Begeisterung und Wonne ausgekostet. Allein der Durst hält an…

Von der lieben Sonne bestrahlt, sitzt auf dem Podium -ohne Schatten und mit großem Durst – die Stadtkapelle. Behelfsmäßige Sonnenschützer – Taschentuch mit vier Knoten, arme Nase! – zieren die Köpfe der Unentwegten. Unermüdlich spielen sie den Rennfahrer-Marsch. Noch liegt Tempo und Rhythmus darin, doch die Sonne brennt zu arg, und die einschmeichelnden, mitreißenden Schlager werden wohl dankbar hingenommen, allein heute reißen sie nicht so recht mit. Die tropische Hitze liegt wie ein Alp über der Minerva-Bahn.

Oben auf der Tribüne, die wieder einmal besetzt sein muß, munkelt man ganz leise, aber doch so, daß es die Umwelt hören kann, von Engagements, Berliner Reisen zur Ufa, Sprechproben, na, u.a.m. — und weiter versichern sich Forster beiderlei Geschlechts gegenseitig: „Das gibt‘s nur einmal, das kommt nicht wieder…“