Allerhand „Striche durch meine Rechnung“
Von Heinz Rühmann
Als man mir neben Tony van Eyck eine der Hauptrollen des neuen Ufa-Tonfilms „Strich durch die Rechnung“ übertrug, war ich begeistert. Endlich einmal durfte ich in einem richtigen Sportfilm spielen.
Meine sportlichen Kenntnisse im Radrennfahren – waren zwar gleich Null – da reizt die Aufgabe doppelt. Die Rolle des jungen Rennfahrers in unbedingt realistischer Darstellung, die sich auf ein Fred A. Angermayersches Schauspiel aufbaut, durchzuführen, war mein Ziel. Dem Hellhörigen verrät der Titel: „Strich durch die Rechnung“ – hier geht es sicher um Kräfte des jugendlichen Optimismus, die bemüht sind, aus dem Berufssport die Elemente auszuschalten, die ihn zum Spielball kaufmännischen Kalküls machen. Meines Wissens hat es wohl schon eine Reihe von Filmen gegeben, in deren Mittelpunkt Sieben-Tage-Fahrer standen. In diesem Film aber wird das Schicksal eines „Stehers“ gestaltet.
Wir drei: Speelmans, Hardt und ich mußten richtig in das Radrennmilieu verpflanzt werden. Was tat also Alfred Zeisler, unser Regisseur? Er suchte in Norddeutschland eine herrlich gelegene Steher-Rennbahn, auf der wir ungestört unseren „schweren“ Beruf für die Filmarbeiten aufnehmen konnten. So schlugen wir auf der Radrennbahn in Forst (Niederlausitz) unsere Zelte auf und begannen dort mit Trainings- und Außenaufnahmen.
Selten habe ich mich so schnell in ein Milieu eingelebt. Der frühe Tag begann mit „richtigem“ Training auf „echter“ Radrennbahn mit dazugehörigem Masseur und allen sonstigen Schikanen. Die Pausen verbrachten wir in den Kojen der Rennbahn wie die Fahrer beim Rennen. Zwei Stunden Training, dann begannen unsere Aufnahmen, die sich in den ersten zwei Wochen auf den Zuschauerplätzen und innerhalb der Trainingsräume abspielten. Das war gut so, denn der so leicht aussehende Sport verlangt in Wirklichkeit allerhand. Man merkt erst, wenn man in unermütlicher „Tretarbeit“ hinter seinem Motorrad herrast, das zu überholen, wie mir unser witziger Masseur erzählte, selbst dem Weltmeister Sawall noch nicht gelungen ist. Die Finesse des Schrittmachers bestand darin, das hatten wir bei keuchendem Brustkorb bald heraus, daß er auf seinem Motorrad ausgerechnet immer eine zehntel Sekunde schneller fuhr als wir.
In der erste Woche bestand für uns das Hauptproblem darin, ohne Sturz über die Bahn zu kommen. Beinah` wär mir das auch gelungen. Doch am Ende einer Woche wollten wir zwei, Speelmans und ich, Freunden die aus Berlin gekommen waren, einmal so recht zeigen, was wir für famose „Steher“ wir bereits waren. Bei dieser Gelegenheit erwies ich mich aber auch als ganz ausgezeichneter – „Flieger“. Ich flog nämlich im 60 Kilometer-Tempo von meinem Rad durch die Luft auf die Holzbahn. Ein Flug mit recht schmerzhaften Folgen. Trotzdem erfasste uns alle drei ein „rasender“ Sportehrgeiz, als drei Tage später unter regster Teilnahme der Forster Bevölkerung unser großes Rennen auf der Bahn stattfand. Unser Regisseur Zeisler hat uns später erzählt, er hätte niemals so „disziplinlose“ Schauspieler gehabt, wie in dieser Rennszene. Keiner, so behauptete er, hätte überhaupt noch Rücksicht auf die Vorschriften des Manuskripts genommen. Uns erfüllte nur der Ehrgeiz, in Gegenwart der begeisterten Forster Sportfreunde zu siegen. Tony van Eyck, meine Partnerin im Film, verfolgte dieses Rennen von Anfang an und versicherte uns, wir hätten uns wirklich wie „Sportbesessene“ benommen. Sie schiebt es heut noch auf den energisch liebenswürdigen Einfluss unseres Herrn Regisseurs, daß das Rennen so ausging wie unser guter Dichter Fred A. Angermeyer in seinem Stück verlangt.
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