- Forster Tageblatt, 28. Juli 1932 – „Die Ufa-Fahne weht!
- Forster Tageblatt, 29. Juli 1932 – „Hochbetrieb auf der Rennbahn“
- Forster Tageblatt, 30. Juli 1932 – „Ein Unfall auf der Radrennbahn“
- Forster Tageblatt, 05. August 1932
Ein Tag der Komparsen
Die Ufa dreht Tribünenaufnahmen. – Forster „Filmstar“ filmt. – Das Publikum fast „atelierfromm“.
Großbetrieb auf der Rennbahn, besser gesagt in „Neu-Babelsberg“ bei Forst. Man merkt es am Langjägeraufgebot; sieben „Grünröcke“ sorgen für Ordnung und üben eine scharfe Kontrolle aus. Und das ist bei diesem Hochbetrieb durchaus notwendig. Sogar Schupos sind da? „Nein, sehr verehrte, gnädige Frau, schauen Sie sich mal die Gesichter an, die sich unter dem hohen Tschako verbergen.“ Alte Bekannte aus unserm lieben Forst. Doch heute in Haltung und Geste: Schupomann und – zur Ufa gehörig!
Ein ganzer Stab von Regisseuren verschiedener Grade, Kameramännern, Beleuchtungsleitern, Tonregisseuren und allerhand technischem Personal arbeitet da zusammen. Elf Lampen mit 2400 Ampére verbreiten blendende Helligkeit, am „Galgen“, der hin und her dirigiert wird, hängt das Mikrophon, und die Tribünen bevölkern bis oben hin die Komparsen, etwa 300 an der Zahl. Seit 7 Uhr morgens sind sie schon da, sind hier verpflegt worden – Würstchen mit Sauerkohl und Brötchen – und haben Szene um Szene geprobt, oft fünf- bis sechsmal. Soeben ertönt das Kommando: Licht! Die Jupiterlampen erstrahlen; hierher noch eine, dort fehlt noch eine; dann das Kommando: Aufnahme! Wir begrüßen Alfred Zeißler, den Produktionsleiter und „Chef des Stabes“. Liebenswürdig und zuvorkommend gibt er auf unseren Fragen bereitwilligst Auskunft. Bewundernswert ist die Ruhe, die dieser Mann ausstrahlt. Aus seinem „stillen Kämmerlein“ kommt der Tonregisseur Kagelmann, ehemaliger deutscher Flugzeugführer und erprobter Kämpe. Zu seiner Gestalt paßt tatsächlich die „Havanna“ besser als die unscheinbare Zigarette, die Onkel „Ali“ mit Gönnermiene spendiert. Lautlosigkeit tritt ein. Vom Kontrollapparat, der das Mikrophon einschaltet, kommt die Bestätigung des Beginns der Aufnahmen. Mit großer Gewandtheit schlägt der „Mann im grauen Mantel“ eine Klappe vor dem Aufnahmeapparat zu, unter gleichzeitiger Ansage der laufenden Nummer der Aufnahme, und das Spiel beginnt…
Rufe, Schreie, Pfiffe und Trampeln ertönen, Mützen fliegen in die Luft; die Forster Komparsen arbeiten so, daß der gesamte Aufnahmestab seine helle Freude daran hat. Hier ruhen noch verborgene Filmtalente! Zeißler und Grau leiten mit „neutraler“ Flagge – ich glaube, sie war „blau“ – den sogenannten „Geräuschteppich“. Die Tribüne macht ihre Sache großartig, so daß Zigaretten zur Belohnung verteilt und diverse Biere in Aussicht gestellt werden. Dadurch wird die Stimmung naturgemäß erhöht, und bei der nachfolgenden Wiederholung übertönt der „Geräuschteppich“ das Gesurre der Motoren, eine Feststellung, die Kagelmann mit einer netten Zwischenbemerkung abtut.
Der Ruf „Fertig“ und der Schall der Schlußklappe beendigen das Spiel. Die Bildregisseure Brandes und Bohne sind leidlich einverstanden. Es ertönt die Frage: „ Und was sagt Kagelmann?“ Die Antwort: „Ton gut.“ Die nächste Aufnahme wird abgeblasen, das Glockenzeichen ertönt zu früh. Den scharfen Blick und dem fabelhaft geschulten Ohr Alfred Zeißlers entgeht nicht. Der „Verantwortliche“ dirigiert nunmehr seinen Aufnahmestab nach der linken Tribünenseite. Ein Fliegerrrennen soll gedreht werden. In den ersten Sitzreihen bemerken wir „Gust l“ (Stark-Gstettenbaur) und Pulvermacher, die beiden jugendlichen Filmgrößen im Ufa-Tonfilm „Strich durch die Rechnung“. Diese Aufnahme gestaltet sich besonders interessant; denn es entstehen Situationen im Moment, die an Komik nicht zu wünschen übrig lassen…
Pulvermacher versucht seinen Kaugummi zu bezwingen, und Alfred Zeißler macht unfreiwillige Witze! Die Aufnahme gestaltet sich etwas schwierig, weil das Publikum mitlacht und alles natürlich vom Ton aufgenommen wird. Großartig die Art und Weise, wie Alfred Zeißler das Publikum für die Aufnahme einfängt, sogar die „Klopfgeister“ kommen zur Ruhe, und das Publikum wird „atelierfromm“. Dann folgt die französische Version. Alles klappt, und die nächste Szene kommt an die Reihe, und zwar die Szene mit dem neu entdeckten „Forster Filmstar“. Nur kurz ist ihre Sprechrolle! Aber umso wirkungsvoller für die Umwelt. Es ist nur ein Satz: „Wer ist denn die Schauspielerin, die dort den Startschuß abgibt?“ Nach der vierten Probe klappt der Laden, und bei der Abhörprobe meint Kagelmann: „Die Dame soll nicht lauter werden.“ Da geht ein Leuchten über das Antlitz des jugendlichen „Filmstars“; vielleicht träumt sie schon einen „blonden Traum“ in Neu-Babelsberg. Unsererseits viel Erfolg; Talent ist zweifellos vorhanden! Schnell noch eine Photoaufnahme, Angabe der Adresse, und die Arbeit, die in allen ihren Teilen sehr anstrengend ist, nimmt ihren Fortgang.
Inzwischen wird für Sonnabend zur „Rennleitung“ eine neue Serie von Komparsen zusammengestellt; auch die Schupos, Ordner und Kontrolleure sollen wieder dabei sein. Und als wir kurz nach 6 Uhr den Schauplatz des Filmgeschehens verlassen, hören wir noch das Gespräch zweier Forster Schönen: „Ach, wenn doch recht bald der Film hier in Forst laufen würde, damit wir sehen können, ob wir auch „gut“ getroffen sind!“
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