Zu den vielen Anekdoten rund um die Filmaufnahmen zu „Strich durch die Rechnung/Rivaux de la Piste“ gehört auch diese: Bei den Aufnahmen der Startszene schoss sich Käthe von Nagy beim Abgeben des Startschusses eine Fingerspitze ab.
Darüber berichtet Curt Winzker in der unveröffentlichten Chronik der Forster Radrennbahn und so erschien es dann auch im Buch „Rückblick 100 Jahre Forster Radrennbahn“ von Otto Friedrich und Werner Ruttkus.
Ebenso schreibt Erich Poesch von einem Vorfall bei Startschuß, bei dem sich Käthe von Nagy den Finger oder die Hand verletzt haben soll.
Dazu erreichten Redaktionsmitglied Frank Henschel auch mündliche Überlieferungen.
Ein Vorstandsmitglied des Forster Radsportvereins PSV 1893 erklärte, dass die Schauspielerin die Startpistole unsachgemäß hielt und seitlich austretende heiße Dämpfe eine Verletzung am Zeigefinger hervorrief.
Bei einem Einführungsvortrag zum Film „ Strich durch die Rechnung“ im Oktober 2020 im „Hornoer Krug“ wurde Frank Henschel dann von einem Besucher darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei der Startpistole augenscheinlich um einen Trommelrevolver handelt. Der „Waffenexperte“ ging eher davon aus, dass sich die Nagy beim Drehen der Trommel den Finger verletzt haben könnte.
Was an der ganzen Geschichte dann aber doch stutzig macht, ist, dass das „Forster Tageblatt“ bei seiner umfangreichen Berichterstattung einen solchen Vorfall überhaupt nicht erwähnt.
Tiefere Recherchen haben nun einen ganz anderen Vorfall in den Fokus gerückt.
Anfang Dezember 1932 fand in Köln ein Sechstagerennen statt. Und genau dort ereignete sich ein dramatischer Vorfall bei der Abgabe des Startschusses. Ob es nun ein Zufall war oder mit dem in Deutschland gerade angelaufenen Radsportfilm „Strich durch die Rechnung“ zusammenhing, ist ungewiss. Aber genau wie im Film war Käthe von Nagy auf die Kölner Rennbahn eingeladen, um dort den Startschuss abzufeuern.
Wie sich das Ganze dann zum einem Desaster entwickelte, kann man in verschiedenen Zeitungen und Journalen lesen.
Zeitschrift „Die Stunde“ vom 4. Dezember 1932:
Unfall der Filmschauspielerin Käthe Nagy
Die Filmschauspielerin Käthe von Nagy erlitt gestern, als sie den Startschuß zum Köner Sechs-Tage-Rennen abfeuerte, und dabei unvorsichtigerweise den Zeigefinger über die Pistolenmündung hielt, eine nicht unerhebliche Verletzung. Im Krankenhaus wurde an ihr eine Hautübetragung vorgenommen.
Das „Salzburger Volksblatt“ schreibt am 3. Dezember 1932:
Ein Finger von dem man spricht
Die Filmschauspielerin Käthe von Nagy feuerte am Freitag in Köln den Startschuß zum Sechstagerennen ab. Dabei hielt Sie unvorsichtigerweise den Zeigefinger über die Pistolenmündung, so daß sie erheblich verletzt wurde. Im Krankenhaus wurde eine Hautübertragung vorgenommen. Die Filmdiva muß dort einige Tage bleiben.
Dass dieser Unfall für einige Zeit die Filmkarriere von Käthe von Nagy ins Stocken brachte, kann man in der Ausgabe 369 von „Mein Film“ aus 1933 nachlesen:
In dem Ufa-Film „Der Stern von Valencia“ wird die weibliche Hauptrolle an Stelle von Käthe von Nagy, die noch immer an den Folgen der Verletzung leidet, die sie sich selbst beim Startschuß zum Sechstagerennen zugefügt hat, von Liane Haid verkörpert werden
Aber damit noch nicht genug. Die ganze Sache geht in die nächste Runde und wird richtig teuer, so kann man es später in der Ausgabe 384 von „Mein Film“ aus 1933 lesen:
Käthe von Nagy klagt
Käthe von Nagy war eingeladen worden, beim Kölner Sechstagerennen den Startschuß abzugeben. Infolge irgend eines bisher noch unerklärlichen Fehlers der Pistole verletzte sich die Künstlerin beim Abschuß den Finger. Sie hat jetzt den Veranstalter auf einen Schadensersatz von 25.000 Mark verklagt.
Damit stellt sich die Forster Legende in einem ganz neuen Licht dar.
Es scheint doch höchst unwahrscheinlich, dass Käthe von Nagy sich im August 1932 in Forst beim „Filmstartschuss“ und im Dezember 1932 in Köln bei einem Startschuss den Finger verletzte.
Aber es ist auch erstaunlich, wie ein Unfall im rund 700 km entfernten Köln in die Forster Legendenwelt Einzug halten konnte.
Doch vielleicht ist die „Nagy-Startschuss-Causa“ hier auch noch nicht beendet.